VISUELLE DIMENSIONEN
Studien zur experimentellen Streetfotografie
Streetfotografie widmet sich gewöhnlich den Menschen, so wie sie sind, und dem Leben,
so wie es stattfindet. Die Bilder sind spontan, nicht inszeniert und authentisch.
Manchmal sind es allerdings keine konkreten Motive, die beim Fotografieren auf der
Straße auffallen. Auch visuelle Elementareindrücke können sich der Wahrnehmung sehr stark aufdrängen. Wird diesen Reizen, wie Farben, Licht und Schatten, Strukturen, Bewegungen, Spiegelungen,
Verwisch- ungen oder Verzerrungen, gezielt mit der Kamera nachge-gangen, führt das wie von selbst ins experimentelle Feld.
Solchen Bildstudien geht es weniger um Aussage oder Inhalt. Vielmehr wird mit Elementen
der Bildgestaltung gespielt und die damit erreichte Wirkung eines Bildes betrachtet. Sehgewohnheiten werden ausprobiert und trainiert. Ausdrucksmöglich- keiten können entwickelt werden. Diese
Prozesse dienen letztlich auch der Ausbildung des eigenen Stils.
Strahlender Sonnenschein drang in den Wagen hinein. Inneneinrichtung und Fahrgäste
wurden intensiv be- leuchtet, wodurch sich eine nicht minder intensive Schat-tenstruktur gestaltete. Die Spiegelung an querstehenden Glasflächen im Türbereich erbrachte ein weiteres ein-
fallendes Licht, wie von einer zweiten Sonne stammend. Kontinuierlich veränderte sich dieses Bild, vor allem, wenn der Wagen in eine Kurve fuhr. Farben leuchteten auf und tauchten wieder ab.
Verschiedene Kontraste wurden sichtbar und wechselten einander ab. Der Blick aus dem Fenster zeigte die eine Straßenseite immer hell erleuchtet, während die andere im Schatten lag und mit ihren
Glasscheiben die von der Sonne beschienenen Bereiche auffallend reflektierte.
Eine mannigfache Welt aus Licht, Farben, Formen und Strukturen wurde da erlebbar.
Strukturen erscheinen bei entsprechendem Licht besonders aufschlussreich.
Außerhalb der Trambahn fand Ähnliches statt. Der solare Superscheinwerfer füllte Plätze, Straßen und Gassen entlang der Tramlinie mit einer Atmosphäre aus Licht. Komplexe Hell-Dunkel-Grenzen, erzeugt durch Gebäude und Masten, Fahrzeuge, Bäume und Passanten. Auf der urbanen Bühne bewegten sich unzählige, sehr unterschiedliche Menschen, Typen und Individuen, heterogen im Outfit, Vertreter aller Schichten und Altersgruppen. Meistens alleine, aber auch in kleinen Gruppen, miteinander sprechend, wartend, gehend, manchmal sich sehr beeilend. Jede Sekunde immer ein anderes Bild. Eigentlich typische Szenen für die Streetfotografie. Dazu die immer wieder vorbeigleitenden Trambahnen. Bilder ereigneten sich beim Blick in die Wagen hinein, durch sie hindurch oder von ihnen zurück gespiegelt. Realität und Virtualität überlagerten sich, oft mehrfach.
Natürlich auch wieder Farben, Licht und Schatten, wenn auch mit erweiterten
Fragestellungen. Doch vor allem hatte die Suche hier Bewegung und Überlagerung zum Thema. Verzerrungen in den Scheiben unterstützen Bewegungsphänomene.
Stand 17. Mai 2017